Neue querstadtein-Touren! Und: Wie machen wir das?
Wer schon auf mehr als einer unserer querstadtein-Touren dabei war, weiß: kein Kiez, keine Führung und auch keiner unserer Stadtführer ist mit dem anderen vergleichbar. Immer wieder werden wir gefragt, wie entsteht eine querstadtein-Tour eigentlich? Hier kommt die Antwort!
Erst einmal müssen wir natürlich jemanden finden, der/die Lust hat Stadtführer*in zu werden. Wir sind gut vernetzt: In den meisten Fällen kommen wir über Sozialarbeiter*innen aus der Wohnungslosenhilfe oder soziale Treffpunkte in Kontakt mit potenziellen neuen Stadtführer*innen – aber auch über soziale Medien melden sich immer wieder Interessent*innen bei uns.
Am Anfang steht der Beziehungsausfbau
Der nächste Schritt ist ein gegenseitiges Kennenlernen. Es ist uns besonders wichtig, nicht nur von unserer Seite aus ein Gefühl für die Person zu entwickeln, sondern dass auch die potenziellen neuen Stadtführer*innen sich bei uns wohlfühlen und Lust darauf haben mit uns zusammenzuarbeiten – denn eine Tourenentwicklung braucht nicht nur Zeit, sondern vor allem auch Vertrauen.
Im ersten Gespräch lassen wir die Person viel erzählen – von sich, seiner/ihrer Zeit auf der Straße sowie kleine Anekdoten und große Geschichten aus dem Leben. Hier ist von allem was dabei: Witziges, Schönes, Trauriges, Tragisches, Mutmachendes. Diese Gespräche finden selbstverständlich vertraulich statt. Häufig kristallisiert sich bereits beim ersten Treffen der Kiez heraus, in dem sich der/die Stadtführer*in während der Obdachlosigkeit am meisten aufgehalten hat, so dass wir uns grobe Gedanken über eine Route für eine Stadtführung machen können.
Tourentwicklung – ein langer Prozess
Wenn alles passt, starten wir in die Tourentwicklung. Bei einem nächsten Treffen geht’s nach draußen und wir lassen uns aus Expert*innensicht den Kiez zeigen. Da gibt es auch für uns immer wieder einiges zu entdecken und zu lernen. Wir nehmen uns Zeit und halten an vielen Ecken an – häufig fallen einem die besten Geschichten spontan vor Ort ein. Außerdem bekommen wir so gemeinsam ein Gefühl für die Strecke: Wo kann eine Gruppe gut stehenbleiben, wo ist der Straßenlärm eventuell störend oder welcher Weg ist für Fußgänger am geeignetsten? Können wir die Strecke barrierefrei gestalten?
Diese erste „Brainstorming-Tour“ bildet die Grundlage für die weitere Tourentwicklung: In einem Prozess aus sich abwechselnden Workshops und Ortsbegehungen wählen wir zusammen die besten Geschichten aus, bringen sie in eine Reihenfolge, schauen, an welchen Stellen wir generelle Informationen über Obdach- und Wohnungslosigkeit einbauen oder Hilfseinrichtungen vorstellen können. So entsteht eine persönliche und individuelle Tour.
Was müssen Stadtführer*innen können?
Wir kümmern uns nicht nur ums Inhaltliche. Auch wenn es Naturtalente gibt: Stadtführer sein will gelernt sein! Wir üben zum Beispiel das Sprechen vor Gruppen und den Umgang mit schwierigen oder zu persönlichen Fragen und Kommentaren. Wir erhöhen langsam die Personenzahl, die bei den Probetouren mitläuft und laden zu einer Generalprobe auch für den Stadtführer fremde Leute ein. Bei unangenehmen oder unangemessenen Fragen darf man auch freundlich die Antwort verweigern – niemand erzählt mehr über sich als er/sie möchte. Aber unsere Besucher*innen sind ja eigentlich immer so toll, dass man sich auf den Touren sowieso mit der nötigen Sensibilität begegnet!
Nach der Generalprobe gibt’s ein letztes Feedback und es kann losgehen! Auf Facebook erfahrt ihr immer als erstes, wenn eine neue Tour fertig ist. Haltet also besonders diesen Sommer die Augen offen, wir haben da wieder was ganz Tolles in petto und unsere beiden „Neuen“ freuen sich schon! Wir wollen ja nichts verraten, aber: Bis bald im touristischen Mitte und dem mondänen Charlottenburg …